Berta im Baltikum

17. August 2018Anja

Nun sind wir also im Baltikum und damit auch wieder in anderen Dimensionen unterwegs: Estland, Lettland und Litauen sind deutlich kleiner als die langgezogenen Länder Norwegen oder Finnland. Da müssen wir uns erst wieder dran gewöhnen – wenn man nicht aufpasst, ist man *schwupps* schneller als geplant schon im nächsten Land 😄. Die Ländergrenzen sind hier nämlich gänzlich unspektakulär und gehen auch schon mal mitten durch ein Dorf.

Woran wir uns auch gewöhnen müssen ist der Verkehr – oder besser gesagt die Fahrweise. Vielleicht sind wir auch noch zu verwöhnt von den mehr als anständigen Norwegern und Finnen (nie, wirklich NIE, ist da jemand dicht aufgefahren oder hat gedrängelt). Viele Balten fahren SEHR riskant und das beobachten wir mit deutlicher Zunahme Richtung Südwesten. In meiner Familie sagt man „Der fährt wie ein Messer.“ und diese Redensart trifft es ziemlich genau: Es geht meistens haarscharf gerade noch so gut. Ungeschlagen ist bisher folgende Situation: Wir quälen uns durch eine nicht enden wollende Baustelle, in der es immer wieder nur ein Stück vorangeht wegen unzähliger Baustellenampeln. Als ich bei einer dieser Ampeln noch bei gelb „rüberhusche“ bin ich schon etwas verwundert, wie viele Fahrzeuge noch hinter mir herfahren. Na gut, lange Gelbphase – kann ja sein. Bei der nächsten Ampel halte ich an – es ist rot. Das hält die 5 Fahrzeuge hinter mir nicht auf,die scheren aus und überholen mich – darunter ein Sattelschlepper(!!!). Wir sind beide fassungslos und bekommen den Mund nicht wieder zu 🤦🏻‍♀️.

Apropos Baustellen. Wenn in Deutschland eine Straße längst gesperrt ist, man Umleitungen fahren muss und vielleicht im Stau steht, ist man hier etwas entspannter: man fährt halt langsam durch die Baustelle durch. So kann man auch im Laufe der Zeit alle Stadien der Entstehung eines Straße beobachten. Toll! 😊.

Neben 1A gemachten neuen Straßen (und den Baustellen), sind Schotterpisten und große Schlaglöcher nicht unüblich und wir mittlerweile auch ganz gut geübt im Befahren dieser Straßen. In zahlreichen Tests haben wir nun auch endlich die optimale Geschwindigkeit auf Waschbrettpisten herausfinden können: Bei gemütlichen 11 km/h fühlt Berta sich am wohlsten 😊.

Neben den wunderschönen Stränden im Baltikum haben es uns vor allem die Nationalparks angetan. Diese haben sehr gepflegte Wanderwege und wunderschöne Rastplätze. Im Sooma Nationapark in Estland kann man auf Bretterpfaden nicht nur durchs Moor wandern, sondern sogar in Moorseen baden. Im Gauja Nationalpark in Lettland schwimmen wir am Fuße von Sandsteinfelsen. Einziger Nachteil: Mücken und Bremsen ohne Ende 🙄. Der angesagteste Duft ist bei uns daher „Eau de Autan“…

So viele Störche wie hier haben wir beide zusammen noch nicht gesehen. Wirklich jedes Dorf hat ein eigenes Storchenpaar und wenn der Bauer das Feld umpflügt, laufen die Störche im Dutzend hinter dem Traktor hinterher.

Neben der wunderschönen Natur hat das Baltikum auch kulturell einiges zu bieten. Das Erbe der Sowjetzeit ist an vielen Stellen noch sichtbar. In Estland baden wir in Rummu mitten zwischen den Ruinen eines alten Gefängnisse, das heute von einem Baggersee überflutet ist – den Tipp hatte Sebastian am Strand von Tallinn von einem Esten bekommen. Von den Zäumen lassen wir uns nicht abhalten und machen es den Einheimischen nach: Einfach über die Mauer klettern 🙈. Die Kulisse ist wirklich surreal und wird uns sicherlich ewig in Erinnerung bleiben.

In Lettland kann man auf dem Schiffsfriedhof nahe dem Kap Kolka – dort wo Ostsee und Rigaischer Meerbusen aufeinander treffen – die alten Fischerboote im Wald verrotten sehen. Aus Angst vor der Flucht über das Meer hatten die Sowjets die Fischerei verboten, die Schiffe an Land geschleppt und dort zerstört.

In Litauen besichtigen wir mitten im Wald eine alte Raketenbasis, in der zu Sowjetzeiten 4 Nuklearraketen stationiert waren. Heute kann das komplette Gelände besichtigt werden, selbst durch die unterirdischen Gänge kann man gehen. Es ist unglaublich und unfassbar welche Großprojekte da völlig im Geheimen realisiert wurden… und sooo lange ist es ja noch gar nicht her. Sehr bedrückend.

In Litauen besichtigen wir bei Sonnenuntergang den „Berg der Kreuze“, der neben seiner religiösen Bedeutung auch ein Symbol des Widerstandes ist. Auch wenn für uns der religiöse Aspekt nicht im Vordergrund steht, hat der Ort eine Wirkung auf uns.

Auch Essen gehört ja im weiteren Sinne zur Kultur und daher haben wir ein paar Spezialitäten getestet 😋 – Ergebnis: Extrem lecker! Mein persönlicher Favorit ist die litauische Küche mit ihren herzhaften Speisen. Ob kalte Rote-Beete-Suppe oder – der litauische Klassiker – „Cepelinai“, mit Hackfleisch gefüllte Kartoffelklöße. Genau mein Geschmack! Das einzige was fehlt sind Bäckereien. Die gibt es einfach nicht im Baltikum – mit dem abgepackten Brot aus dem Supermarkt (meist mit Kümmel) können wir uns so gar nicht anfreunden. Als wir in der Nähe von Limbazi in Lettland einen Bäcker finden, schlagen wir daher ordentlich zu. Zwar ist der Hofladen der Bäckerei Lielezers etwas rustikal und sprachlich kommt man mit Englisch oder Deutsch auch nicht weit, aber trotzdem ist der Laden ganz klar eine Empfehlung. Besonders die süßen Teilchen noch ofenwarm zu essen, ist Genuss pur!

Natürlich haben wir auch alle 3 Hauptstädte besucht. Bleibt die Frage welche Stadt wir am schönsten fanden: Tallinn, Riga oder Vilnius? Vorab: Alle 3 Städte sind wirklich schön und lohnen auf jeden Fall einen Besuch. Unser Favorit ist jedoch Vilnius. Hier gibt es neben einer restaurierten Altstadt noch viele unberührte Ecken, wo auch mal der Putz von Häusern rieselt und nicht alles glänzt. Vielleicht hat uns auch Užupis den Bann gezogen? Manchmal kann man es auch einfach nicht an bestimmten Dingen festmachen… muss man ja auch nicht 😉

 

Von Vilnius ist es nicht mehr weit bis Polen und kurz hinter der Grenze schmeißen wir alle Pläne über den Haufen und geben ordentlich Gas. So kommt es, dass wir 3 Tage später schon in Deutschland als Überraschungsgäste auf dem 50. Geburtstag von Sebastians Bruder sind. Polen können wir uns auch später noch angucken, jetzt freuen uns wahnsinnig auf das Wiedersehen mit Familie, Freunden und Bekannten in den nächsten Wochen!

Ach ja, es gibt noch Neuigkeiten aus der Kategorie “Schusselige Camper”: Man kann nicht nur den Diesel-Tankdeckel vergessen, sondern auch den Deckel vom Gastank – gut, wenn man es nicht zu spät merkt und das Teil am nächsten Tag noch an genau derselben Stelle liegt.

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